Haverei (auch „Havarie“) sind die Schäden, die das Seeschiff, der Treibstoff oder die Ladung während der Reise erleiden. Das können Sachschäden und andere Vermögensschäden (Folgeschäden, Kosten) sein. Erfahren Sie in diesem Artikel was eine Havarie Grosse definiert, welche Vorraussetzungen zur Feststellung einer Havarie Grosse vorliegen müssen, welche Kosten auf Sie als Auftraggeber zukommen können und wie Sie sich gegen diese Aufwände schützen.


Definition "Havarie Grosse"

Die Große Havarie (gemeinschaftliche Haverei, Havarie Grosse, engl. General Average, franz.: avarie grosse) umfasst alle Schäden einschließlich Kosten, die dem Schiff, dem Treibstoff oder der Ladung (oder allen dreien) auf Anordnung des Kapitäns vorsätzlich zugefügt werden, um alle drei aus gemeinschaftlicher Gefahr zu erretten. Die Beteiligten bilden während der Reise eine Gefahrengemeinschaft. Die durch die Große Havarie entstandenen Schäden und Aufwendungen werden von den Beteiligten gemeinsam getragen.

Beteiligter ist, wer zum Zeitpunkt des Havariefalls Eigentümer des Schiffes oder Eigentümer des Treibstoffs ist oder der die Gefahr trägt, dass ein zur Ladung gehörendes Frachtstück oder eine Frachtforderung untergeht.

 

Neu ist bei der Definition, dass der Treibstoff ausdrücklich dem Schiff und der Ladung gleichgestellt wird; denn bei dem Treibstoff handelt es sich ebenfalls um einen, im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb stehenden, wirtschaftlichen Wert. Unter den Begriff „Treibstoff“ fällt ausschließlich der Treibstoff, der dem Betrieb des Schiffes dient. Treibstoff, der als Ladung vom Schiff befördert wird, fällt dagegen unter den Begriff „Ladung“. Diese Bezeichnung bezieht auch Transportbehälter, z.B. Container, ein.

Unterschied zur Kleinen Havarie – eine historische Unterscheidung

Bis zum Inkrafttretten des neuen Handelsbuchs 2013 wurde im deutschen Recht die Unterscheidung von großer Havarie und kleiner Havarie getroffen. Unter einer kleinen Havarie verstand man gemäß § 621 II aF HGB sämtliche ungewöhnliche Kosten, die auf einer Schiffsreise entstehen können, ohne dass dabei eine Gefahrenlage bestand. Beispiele hierfür sind etwa Lotsengelder, Hafengebühren, Leuchtfeuergeld, Schlepplöhne oder Kosten für Quarantäne und Auseisung. Ähnlich wie bei der Havarie Grosse galt auch für die kleine Havarie eine spezielle Verteilungsregelung der Kosten, welche jedoch nicht mehr üblich ist. Die kleine Havarie ist daher lediglich ein historischer Begriff, dem keine rechtliche Grundlagen mehr unterstellt ist.

Die wesentlichen Voraussetzungen einer Havarie Grosse

Ein Fall der Großen Havarie ist gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:  

  • Schiff, Treibstoff und Ladung befinden sich in einer gemeinsamen Gefahr.
  • Die Schiffsleitung ordnet in vernünftiger Weise Maßnahmen zur Errettung von Schiff, Treibstoff und Ladung aus der gemeinsamen Gefahr an.
  • Schiff und/oder Treibstoff und/oder Ladung werden dadurch Schäden vorsätzlich zugefügt. Schäden sind Beschädigungen, Verluste und alle Kosten, die zur Errettung aus der gemeinsamen Gefahr aufgewendet werden.
  • Schiff, Treibstoff und Ladung müssen ganz oder teilweise gerettet werden

 

Folgende Handlungen werden laut § 706 HGB a.F bei einer Havarie Grosse beispielsweise vollzogen:

  • Seewurf (Überbordwerfen der Ladung)
  • Strandung des Schiffs
  • Flutung der Laderäume bei Feuer
  • Schiffsbergung
  • Piraterie in der Seeschifffahrt   

Container Havarie

Im Frachtverkehr über die Weltmeere werden vorwiegend Container verwendet. Sie sind ISO genormt und bieten viele Vorteile hinsichtlich der Be- und Entladung, Beförderung, Lagerung und Entleerung. Doch bei Havarien in der Seefracht werden Container häufig beschädigt oder gehen verloren.  Die häufigste Ursache für den Verlust sind dabei extreme Wetterverhältnisse, die dazu führen, dass die hoch übereinandergestapelten Container über Bord gehen. Das World Shipping Council meldete bei etwa 5.500 Frachtschiffen, die zwischen 2008 und 2019 über die Weltmeere fuhren, im Schnitt 1.320 über Bord gegangene Container pro Jahr. Im vergangenen November ereignete sich ein besonders schwerer Fall von Containerverlust als bei 16 Meter hohem Wellengang 1.816 Container des japanischen Frachters One Apus auf dem Pazifik ins Meer stürzten.

Maßnahmen nach einer Havarie Grosse

Grundsätzlich hat der Kapitän im Havariefall nach bestem pflicht- und vernunftgemäßem Ermessen zu handeln. Über jeden Havariefall muss das Logbuch sorgfältig geführt werden.

Sind alle Voraussetzungen für eine Havarie Grosse erfüllt, müssen die entstandenen Schäden ermittelt und auf die Beteiligten im Verhältnis ihrer geretteten Werte aufgeteilt werden. Diese sehr komplexe Aufgabe der Ermittlung der maßgeblichen Werte und ihrer Beteiligung wird meist durch Sachverständige (der sogenannte Dispacheur oder auch Havariekommissar) wahrgenommen. Der Dispacheur erstellt nach Beauftragung durch Reederei, Befrachter oder Transportversicherer für die an der Havarie beteiligten Parteien einen Schadenverteilungsplan (die Dispache). In der Regel beugen sich alle Beteiligten dem Schiedsspruch des Dispacheurs. In Deutschland ist das Dispache-Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet.

Welche Kosten kommen bei einer Havarie Grosse auf den Auftraggeber zu? 

Da sämtliche Kosten der Fracht, die an Bord waren sowie die Kosten für die Wiederflottmachung des Schiffs durch alle Beteiligten geteilt werden, kann bei einer Havarie Grosse die Höhe der Kosten über den eigentlichen Wert der Waren hinaus gehen. Dies gilt auch, wenn die eigene Ware unbeschadet am Zielort angekommen ist. Gesamtschäden von 50 Millionen Euro bis in die Milliarden sind bei schweren Havarien nicht ungewöhnlich.

Im Falle einer Havarie Grosse hat eine Reederei das Recht, die (unbeschädigte) Ware einzubehalten, bis der Eigentümer seinen Kostenanteil für die Havarie Grosse gezahlt hat.

Die endgültige Ermittlung und Abrechnung der fälligen Beiträge kann Jahre dauern. Aus diesem Grund erwirkt der Ladungsempfänger oft eine unmittelbare Herausgabe der Ladung gegen Stellung von Sicherheiten

 

Hier einige Schadensbeispiele:

  • Strandung (z.B. Auflaufen des Schiffes auf eine Sandbank)
  • Kollision eines Schiffes mit Riffen, Felsen oder Eisbergen
  • Feuer, welches an Bord des Schiffes ausbricht
  • Motor- oder Ruderschaden des Schiffes
  • Festsitzen des Schiffes durch Niedrigwasser, ins Besondere in Hafennähe, zum Beispiel an der Elbe

Transportversicherung als Schutz vor potenziellen Kosten bei einer Havarie Grosse

 

Das Risiko, aufgrund einer Haverie Grosse unerwartet hohe Kosten begleichen zu müssen, kann von speziellen Versicherungen abgesichert werden.

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Bekannte Havarien

Katastrophen auf dem Meer oder in Häfen und Schiffsunglücke sind seit Beginn der Seefahrt bekannt.

Tankerunglücke, bei denen hunderttausende Tonnen Rohöl ins Meer gelangen, zählen dabei zu den bekannteren Havarien. Mediale Aufmerksamkeit erhielten dabei beispielsweise die AMOCO CADIZ, die 1978 vor der Küste Frankreichs havarierte, der Öltanker EXXON VALDEZ, der 1989 vor Alaska auf Grund lief wobei 40.000 Tonnen Rohöl in arktische Gewässer ausliefen, 1999 die ERIKA in der Biskaya oder die PRESTIGE, welche 2002 vor der spanischen Küste havarierte.

Havarie: Kreuzfahrtschiff Costa Concordia

Das italienische Kreuzfahrtschiff der Reederei Costa Crociere kollidierte im Januar 2012 im Mittelmeer mit einem Felsen. Dabei schlug das Schiff leck und wurde manövrierunfähig vom Wind in Richtung der Insel Giglio gedrückt. Dort lief der Luxusliner, der bereits mit Wasser vollief auf Grund und kippte mit der Zeit auf 65 Grad Schlagseite.
Die Havarie forderte 32 Todesopfer. Bei diesem Schiffsunglück konnte eine große Umweltkatastrophe, die ein Austreten der 2.400 Tonnen Schwer- und Dieselöl ausgelöst hätte, abgewendet werden. Nach Abschluss der Bergungsarbeiten im Juli 2017 wurden die Kosten des Unglücks auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Die Bergung des Schifffs war somit dreimal so teuer wie der Baupreis des Kreuzfahrtschiffs.

Havarie im Suezkanal: Ever Given

Die „EVER GIVEN“ zählt zu den größten Containerschiffen der Welt. Am 23.03.2021  lief das Schiff bei starkem Wind an einer Uferböschung des Sueskanals auf Grund. Sie stellte sich dabei schräg und blockierte die Durchfahrt des Sueskanal für sechs Tage. Am 1. April 2021 haben die Schiffseigner das Unglück als Havarie-Grosse deklariert. Die Schadenssume wird derzeit noch ermittelt. Durch die Bergung und die entstandenen Verzögerungen sei bisherigen Schätzungen zufolge etwa eine Milliarde Doller an Schaden entstanden. Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Blockade auf den Schiffsverkehr des Sueskanals finden Sie hier.

Havarie: Das Containerschiff MV X-Press Pearl brennt vor der Küste Skri Lankas

Am 20.05.2021 brach auf dem Containerschiff „MV X-Press Pearl“ vor der Küste Sri Lankas ein Feuer aus. Die aus Mikroplastik und Salpetersäure bestehende Fracht war auf dem Weg von Indien nach Singapur als aufgrund eines Sturms eine Chemikalie aus einem Container austrat, welche eine chemische Reaktion ausgelöste und diese schließlich zum Feuer geführt habe. Die 25-köpfige Besatzung des unter singapurischer Flagge fahrenden Frachters konnte das Schiff rechtzeitig verlassen. Hubschrauber der Armee warfen brandhemmende Chemikalien auf das Schiff ab, um den Brand zu löschen. Die Ladung gelangte ins Meer und führte zu unzähligen getöteten Meeresbewohnern. Die umliegenden Strände sind mit Mikroplastik verschmutzt worden.


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