Incoterms
Klarheit und Sicherheit durch standardisierte Lieferbedingungen
Handelsgeschäfte mit beweglichen Waren – insbesondere international – sind komplexe Vorgänge in Bezug auf den Transport der Güter. Verschiedene Pflichten müssen zwischen den Vertragspartnern aufgeteilt werden. Wer zahlt welche Etappen des Transports, wer trägt ab wann das Risiko? Wer kümmert sich um Versicherung, Frachtpapiere, Ein- und Ausfuhrgenehmigungen? Kommt es hier zu Missverständnissen, sind Konflikte vorprogrammiert – spätestens dann, wenn während des Transports etwas schiefläuft und die Frage im Raum steht, wer die Verantwortung dafür trägt.
Die International Commercial Terms, geschaffen von der Internationalen Handelskammer, sollen weitmöglich dafür sorgen, dass Lieferbedingungen eindeutig und unmissverständlich vorliegen, um sie bei der Vertragsgestaltung einzusetzen. Die erste Fassung der Incoterms wurde 1936 aufgesetzt und – in Anpassung an neue Entwicklungen im Transportwesen – immer wieder überarbeitet. Aktuell sind die Incoterms 2020: Hier wurden einige sinnvolle Anpassungen und Änderungen vorgenommen, um auf aktuelle Handelspraktiken zu reagieren und die Wahl der passenden Incoterms zu vereinfachen. Ausdrücklich wird auf die Verwendbarkeit im nationalen Handel hingewiesen.
Im Folgenden können Sie direkt zu aktuellen Incoterms 2020 springen oder Infos zu den Incoterms 2010 erhalten. Ältere Incoterms haben nach wie vor Gültigkeit und können weiterhin eingesetzt werden, wenn sich beide Vertragspartner ausdrücklich darauf einigen. Ansonsten finden Sie im weiteren Text vertiefende Infos zum Thema Incoterms!
Grundsätzliches zu Incoterms
Incoterms regeln den Transport beweglicher Waren, deren Kauf abgeschlossen ist. Die in den Incoterms standardisierten Lieferklauseln können Teil eines Kaufvertrags sein, aber ersetzen diesen nicht. Schwerpunkt liegt bei der Frage: Wer von den Vertragspartnern übernimmt (ab wann) Kosten und Abgaben, Risiken sowie Pflichten von Transport über Versicherung bis zur Besorgung von Frachtdokumenten? Ursprung der Incoterms liegt im Überseehandel, was sich an typischen Begriffen von „Fracht“ (Freight) bis „Free on Board (FOB)“ erkennen lässt. Mittlerweile regeln Incoterms „multimodal“ alle Transportformen von Übersee- und Binnenschifffahrt über Luftfracht bis zum Transport über Straße und Schiene. Darüber hinaus gibt es Incoterms, deren Anwendung für See- und Binnenschiffstransporte vorgesehen ist (FAS, FOB, CFR und CIF).
Incoterms sind weltweit anerkannt und liegen in mehr als 30 Sprachen vor. Bei Streitfragen bezüglich der Auslegung ist die englische Fassung maßgeblich.
Weitere Aspekte von Incoterms
Neben den obengenannten Hauptfunktionen (Regelung von Transportkosten und -pflichten sowie Gefahrübergang) behandeln Incoterms noch weitere Elemente. Die Frage ist stets, welche Vertragsseite sich darum kümmert und/oder die Kosten dafür trägt.
- Warendokumente (Lizenzen, Ursprungszeugnisse, Zertifikate etc.)
- Transportdokumente (Lieferschein, Konnossement, Frachtbriefe ...)
- Versicherung (was ist versichert und in welchem Umfang, von Minimalabdeckung bis „all risks“)
- Informationspflichten
- Warenprüfung
- Verpackung (geeignetes Material, Prüfungspflichten, Kennzeichnung (etwa als Gefahrgut))
Wichtig: Incoterms sind nur gültig, wenn gemeinschaftlich vereinbart!
Incoterms sind kein Gesetz, sondern gleichsam ein Angebot der Internationalen Handelskammer, bestimmte Standards bzw. bewährte Handelsgepflogenheiten zu nutzen. Sie müssen vertraglich vereinbart werden inklusive der Jahreszahl (z.B. Incoterms 2020). Wird kein Jahr angegeben, wird im Zweifelsfall die aktuelle Fassung herangezogen. Weiterhin sind präzise Ortsangaben wichtig (Verschiffungshafen, Bestimmungshafen oder lediglich „benannter Ort“ (named place)). Fehlt der genaue Ort, kann der Verkäufer den aus seiner Sicht besten Ort wählen.
Kein Status als AGB
Möchte man Incoterms wirksam in einen Vertrag miteinbeziehen, muss ein ausdrücklicher Hinweis erfolgen. Eine gute Stelle ist hier die Nennung des Incoterms im Zusammenhang mit Kaufpreis und Zahlungsbedingungen. Werden Incoterms lediglich als Teil der ABG festgelegt, besteht die Gefahr, vor Gericht als „überraschende Klausel“ und damit als unwirksam gewertet zu werden. Weiterhin kann es vorkommen, dass Käufer und Verkäufer jeweils Incoterms in ihren AGB stehen haben, die sich widersprechen, was zu einer „Battle of forms“ führt, in der sich Widersprüche neutralisieren.
➳ Um diese Risiken zu vermeiden, sollten Incoterms klar aufgeführt und von den Vertragspartnern einvernehmlich verwendet werden!
Abwandeln der Incoterms: möglich, aber meist nicht ratsam
Als Standards bzw. Blaupausen für Lieferbedingungen bilden Incoterms ein Hilfsmittel, um Verträge effizient und eindeutig zu gestalten. Da sie keine Gesetze darstellen, können sie auch individuell modifiziert werden. Allerdings ist dies nur selten ratsam, denn dadurch verlieren sie ihren Wert als weltweit anerkannte, eindeutige Standards. Stattdessen öffnet sich wieder das Tor für Missverständnisse, was die Incoterms eigentlich beheben sollten!
Mögliches Beispiel für eine Abwandlung: Bei der Lieferklausel EXW (Ex Works) muss der Verkäufer lediglich die verpackte Ware bereitstellen, die Verladung müsste prinzipiell bereits der vom Käufer beauftragte Spediteur umsetzen. Nun kann zusätzlich vereinbart werden, dass der Verkäufer die Verladung übernimmt – das Risiko trägt dabei freilich trotzdem der Käufer. Alternativ kann natürlich die Klausel FCA gewünscht werden, bei der Verladung inklusive Risiko auf Verkäuferseite liegen.
Grenzen der Incoterms
Incoterms haben einen großen Nutzen. Sie regeln viel, aber nicht alles! Deshalb ist es wichtig, auch ihre Grenzen zu kennen.
Bereiche, welche von Incoterms nicht geregelt werden:
- Wann kommt ein Kaufvertrag zustande?
- Eigentumsvorbehalt und -übergang
- Zahlungsbedingungen
- Geltendes Recht bzw. Rechtsfolgen bei Vertragsbrüchen
Weiterhin gilt: Wenn Incoterms in Konflikt z.B. mit Außenwirtschafts- oder Zollrecht kommen, gelten stets letztere als öffentliches Recht, während Incoterms als Teil des Privatrechts diesen untergeordnet sind.
UN-Kaufrecht und BGB als Basis und Ergänzung der Incoterms
Bei internationalen Warengeschäften wird das UN-Kaufrecht bzw. CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) angewendet. Vielfach ist es komplementär zu den Incoterms, sprich: Beide sind oft aufeinander abgestimmt. Begrifflichkeiten wie Ware, Erfüllungsort, Lieferung und Lieferort werden innerhalb der Incoterms nicht näher definiert, als Grundlage wird in der Einführung der Incoterms auf das UN-Kaufrecht verwiesen.
Bei nationalen Geschäften kommen auch die Gesetze des BGB zur Geltung. Typischerweise kommt das CISG vor dem BGB zum Einsatz, da es als Spezialgesetz (lex specialis) gegenüber allgemeinen Gesetzen den Vorrang hat. Incoterms wiederum können einzelne Grundsatzregelungen des CISG außer Kraft setzen („abbedingen“), ansonsten behält der Rest des CISG seine Gültigkeit. Allerdings – wie schon erwähnt – das CISG geht von Kaufverträgen von Vertragspartnern mit Niederlassungen in unterschiedlichen Ländern aus, die Incoterms bedürfen lediglich eines Warentransports (also auch im Innenland bzw. Binnenmärkten wie der EU).
Festlegung des Gefahrübergangs
Die Regelung des Gefahrübergangs ist ein wichtiger Punkt, da es immer wieder zu Beschädigungen oder Verlust etc. von Waren während des Transports kommt. Gesetzliche Regelungen zur Gefahrtragung sind „dispositiv“, sprich: Sie können individuell zwischen Parteien vereinbart werden. Wenn die Grundsatzregelung zum Gefahrübergang aus dem CISG (Artikel 67 bis 69) nicht erwünscht ist, können individuelle Lieferbedingungen oder standardisierte Lieferklauseln wie die Incoterms vereinbart werden. Gemeinschaftlich wird der Gefahrübergang durch Käufer und Verkäufer vor- oder zurückverlegt. Ansonsten gilt im CISG und auch im BGB, dass die Gefahr entweder bei erfolgter Lieferung an den vereinbarten Bestimmungsort übergeht oder – falls kein Ort bestimmt wurde – bei Übergabe an den ersten Transporteur. Die Ware muss sich eindeutig dem Vertrag zuordnen lassen durch Kennzeichnung, Beförderungsdokumente oder andere Wege.
Übrigens: Der Moment des Gefahrübergangs ist gleichzeitig Buchungstag als getätigter Umsatz. Möchte man den Eigentumsübergang aus Bilanzgründen vorverlegen (etwa bei längeren Seetransporten, bei denen man die Ankunft inklusive Gefahrübergang nicht abwarten möchte), können Orderpapiere wie das „Konnossement“ vorab den Eigentumsübergang bewirken. Die Übergabe des Konnossements an den Käufer zählt als Übergabe der Güter selbst.
Durch eindeutige, global gültige und bewährte Standards werden internationale, aber auch nationale Handelsgeschäfte vereinfacht und potenzielle Missverständnisse in Bezug die einzelnen Pflichten der Vertragspartner weitmöglich minimiert. Incoterms können in Kaufverträge einfließen und müssen nicht detailliert ausgeführt und ausgehandelt werden. Ein übersichtliches System der Klauseln von EXW (Ex Works) bis DDP (Delivered duty paid), welches schrittweise Pflichten und Kosten vom Käufer zum Verkäufer verschiebt, hilft bei der Entscheidung, welcher Incoterm vereinbart wird. Die Gruppierung nach dem Anfangsbuchstaben (von E- über F- und C- bis D-Klauseln mit ähnlichem Inhalt) unterstützt ebenfalls die Systematisierung. So sind alle D-Klauseln „Ankunftsklauseln“, bei denen der Verkäufer Transportkosten und Risiken bis zum Ankunftsland trägt.
Grundsätzlich ja, da sie keine Gesetze darstellen, sondern bewährte Lieferklauseln, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Vertragspartner regeln. Sie erhalten nur Wirksamkeit durch übereinstimmende Aufnahme in den Kaufvertrag, und so lässt sich auch in gemeinschaftlichem Einvernehmen eine Ergänzung oder Abwandlung vornehmen zum „Standardumfang“. Möglich ist dies durch den Grundsatz der „Vertragsfreiheit“, sofern dieser nicht zwingenden bestehenden Regelungen zuwiderläuft. In der Praxis gibt es eine Reihe von Anpassungen, welche – mit Augenmaß und entsprechender Erfahrung ausgearbeitet – einen Mehrwert bringen können. Eine Abwandlung von Incoterms ist aber in der Regel nicht empfehlenswert, da ihr Nutzen als allgemeingültiger und unmissverständlicher Standard verlorengeht, und die Erweiterungen des Textes zu unterschiedlichen Auslegungen führen können.
Jeder Gütertransport ist mit Risiken für die zu befördernde Ware behaftet. Ob beschädigte Palette beim Beladen, ein Container, der auf hoher See über Bord geht, ein Verderben unzureichend gekühlter Ware, die Auslieferung an einen falschen Empfänger oder auch der Verlust durch Diebstahl – es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, wie Güter zu Schaden kommen können. Im Moment des Gefahrübergangs werden diese Risiken und damit das Tragen möglicher Konsequenzen übertragen. Wenn nicht anders vereinbart, ist der Frachtführer verantwortlich für Schäden, Verschlechterung und Verlust, solange er die Ware transportiert. Ausnahme sind u.a. Schäden, auf die der Frachtführer keinen Einfluss haben konnte oder auch durch unzureichend verpackte Güter durch den Verkäufer.
Wichtig: Wenn der Verkäufer Kenntnis von einem schädigenden Ereignis hat, welches sich nach Gefahrübergang ergeben könnte, bleibt er in der Verantwortung (etwa das Wissen um einen anstehenden Generalstreik). Das schädigende Ereignis muss sich außerhalb Kenntnis, Reichweite und Beeinflussbarkeit des Verkäufers befinden.
Bei den E-, D- und F-Klauseln der Incoterms geschehen Gefahr- und Kostenübergang zum gleichen Zeitpunkt, weshalb sie auch als Einpunktklauseln bezeichnet werden. Bei allen C-Klauseln weichen diese voneinander ab („Zweipunktklauseln“).
Zuerst einmal sind Incoterms Verhandlungssache zwischen den beiden Vertragsparteien. Welcher Incoterm zustandekommt, kann von der „Marktmacht“ der Beteiligten bzw. den Marktbedingungen abhängen. In einem Verkäufermarkt kann der Verkäufer eher Bedingungen festlegen, bei denen Kosten und Risiken früh auf den Käufer übergehen (z.B. EXW oder FCA). In einem Käufermarkt wiederum hat der Käufer eher die Möglichkeit, „Ankunftsklauseln“ aus der D-Gruppe durchzusetzen. Andererseits kann man als Verkäufer auch ein Interesse daran haben, so viel wie möglich Kontrolle über den Prozess zu behalten, indem er einen Incoterm mit weitreichenden Verantwortlichkeiten übernimmt. Beispiel: Bei der (eigentlich den Verkäufer begünstigenden) EXW (Ex Works) Vereinbarung ist er davon abhängig, ob der Käufer die Ware pünktlich abnimmt (und dadurch der Umsatz realisiert wird). Auch die Verladeprozesse innerhalb des eigenen Fabrikgeländes gibt man nicht immer gerne in fremde Hände. Mit der Wahlmöglichkeit eines Frachtführers (etwa bei C-Klauseln) kann auch der Qualitätssicherung dienen. Eine weitere Frage kann sein, ob Käufer oder Verkäufer – über den konkreten Auftrag hinaus – bessere Möglichkeiten haben, Logistikprozesse rational und günstig zu organisieren.
Ja, die Incoterms 2020 weisen in ihrer Einleitung ausdrücklich darauf hin. Sie sind bewusst so gestaltet, dass sie in möglichst vielen Ländern weltweit die typischen Bedürfnisse von Käufern und Verkäufern bedienen – nicht nur beim internationalen Handel, sondern auch bei Geschäften innerhalb eines Landes.
Die Internationale Handelskammer alias International Chamber of Commerce (ICC) ist die weltweit größte, private Wirtschaftsorganisation mit Sitz in Paris. Sie ist weltweit aktiv, um neben anderen Zielen den internationalen Handel zu fördern. Hierzu setzt sie freiwillige Regeln bzw. Standards, welche nur durch die Aufnahme in Verträge Gültigkeit erlangen. Weiterhin unterstützen sie Schiedsverfahren (z.B. durch die ICC Schiedsverfahrensordnung). Gegründet wurde die ICC im Jahr 1919 von Unternehmern, Kaufleuten und Finanziers, um vor dem Hintergrund einer zerrütteten Weltordnung nach dem ersten Weltkrieg wieder internationale Zusammenarbeit und Wirtschaftsbeziehungen zu fördern.
Incoterms sind nicht die einzigen standardisierten Bedingungen. Im Folgenden Beispiele weiterer wichtiger Standardklauseln.
FIDIC: Diese von Ingenieuren gegründete Gemeinschaft von Ingenieuren hat Standards für verschiedene Vertragsarten entwickelt, der Fokus liegt auf dem Bau- und Anlagengeschäft. Die Bedingungen werden von der Weltbank empfohlen und in ihren Standardverträgen verwendet.
ECE Klauseln: Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen hat zur Förderung der pan-europäischen Wirtschaftsintegration allgemeine Lieferbedingungen entwickelt, welche vor allem im Maschinen- und Anlagenexport Anwendung finden.
RAFTD: In den Vereinigten Staaten gibt es bereits seit 1919 Standardklauseln, im Jahr 1941 kam es zu einer Neuauflage als „Revised Foreign Trade Definitions“, kurz: RAFTD. Sie haben eine große Schnittmenge mit den Incoterms, allerdings gibt es auch Abweichungen im Detail bei Klauseln mit demselben Namen (z.B. FOB). Um Probleme zu vermeiden, sollte man deshalb Kürzel kombinieren mit der Quelle (z.B. Incoterms 2020). Auch, wenn die Verwendung von Incoterms empfohlen wird und die RAFTD nicht mehr verwendet werden sollen, kommen diese in den USA immer noch zur Anwendung.