Wer sich mit dem Thema Logistik beschäftigt, stößt unweigerlich auf die Begriffe 3PL und 4PL, welche Logistikunternehmen als Dienstleistung anbieten. Tatsächlich werden diese Begriffe nicht immer trennscharf unterschieden, da sich die „gelebte Praxis“ selten an akademische Definitionen hält. Dennoch ist es sinnvoll, sich die Unterschiede zwischen 3PL und 4PL zu vergegenwärtigen. Der Grund: Nimmt man die geläufigen Unterscheidungen zwischen 3PL und 4PL Dienstleistungen ernst, bedeuten sie in ihrem Wesenskern eine signifikant unterschiedliche Herangehensweise, auch wenn es oberflächlich um dasselbe zu gehen scheint: den Transport von Waren von A nach B, welchen ein Unternehmen auslagern möchte.
3PL vs. 4PL: Logistikmodelle im Vergleich
Unser Blogbeitrag soll helfen, die grundsätzliche Natur von 3PL und 4PL gegenüberzustellen, damit Sie besser in der Lage sind, den passenden Service für Ihre Bedürfnisse zu wählen. Zusätzlich werfen wir einen Blick auf den LLP (Lead Logistics Provider) mit der Fragestellung, inwieweit er sich in das Spannungsfeld von 3PL und 4PL einfügt.
Kurze Erläuterung: Was steckt hinter 3 PL und 4 PL?
Vorweg: Da wir an anderer Stelle sowohl 3rd Party Logistics als auch 4th Party Logistics jeweils sehr ausfĂĽhrlich an anderer Stelle beschreiben, halten wir uns an dieser Stelle kurz. Bei weiterfĂĽhrendem Interesse freuen wir uns, wenn Sie den genannten Blogtexten Ihre Aufmerksamkeit schenken.
Was ist ein 3PL Anbieter?
Geht es um die Frage, wie man seine Logistik organisiert, durch wen und mit welchen Mitteln, gibt es ein weites Spektrum an Möglichkeiten. Bei 1PL (First Party Logistics) organisiert man die Logistik komplett „inhouse“ mit eigenen Ressourcen – von Lieferprozessen bis zur Warenlagerung. Bei 2PL bzw. Second Party Logistics wird ein konkretes Frachtunternehmen wie z.B. ein Spediteur beauftragt, welcher mit seinen eigenen Fahrzeugen eine Lieferung von A nach B durchführt.
Der 3PL Dienstleister wird engagiert, verschiedene Teilbereiche von Lagerhaltung über Verpackung und Kennzeichnung/Etikettierung bis Transport zu organisieren – oftmals durch Drittunternehmen, die er beauftragt und steuert. Als beauftragendes Unternehmen kann man wählen, welche konkreten Leistungen des 3PL man nutzt auf Basis seiner Anforderungen. Der Kunde nutzt die Spezialisten-Erfahrung und Ressourcen eines etablierten Logistikunternehmens.
Da es um eine längerfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit geht, sprich man auch von Kontraktlogistik. Neben Lagerhaltung und Transportorganisation bietet ein 3PL Unternehmen viele „added value“ Services von Bestandsverwaltung und Etikettierung über Montage und Konfigurierung über Qualitätskontrolle bis zu Kundenservice-Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Supply Chain. Auch beim grenzüberschreitenden Handel schätzt man die entsprechende Expertise eines 3PL, etwa bei Fragen der Verzollung mithilfe eines lokalen Büros im Zielland. Ein Unternehmen kann einen oder auch mehrere 3PL Anbieter nutzen, muss diese aber selbst koordinieren, soweit notwendig.
Was ist ein 4PL Dienstleister?
Ein 4PL Anbieter soll nicht primär einzelne Logistikbereiche organisieren, sondern ganzheitlich bestehende Prozesse und Strukturen steuern, analysieren und eventuell auch neu ausrichten. Beispielsweise erhält er die Aufgabe, eine bestehende Lieferkettenstruktur mit mehreren beteiligten 3PL Unternehmen zu optimieren. Vielleicht setzt er auch eine komplett neue Lieferkette auf und erhält die Aufgabe, hierfür passende 3PL Dienstleister zu engagieren. In der Reinform verfügt ein 4PL nicht über eigene Transport- oder Lageranlagen etc. Dafür verfügt er über leistungsstarke, spezialisierte digitale Werkzeuge, um die verschiedenen Datenströme entlang der Lieferkette an zentraler Stelle zu bündeln, auszuwerten und zu überwachen. Die Integration der vielfältigen Informationen aus verschiedenen Datenquellen ist höchst komplex, aber wer sie meistert, eröffnet sich völlig neue Potenziale für die Analyse, Optimierung und strategische Ausrichtung der gesamten Supply Chain.
Was ist der entscheidende Unterschied zwischen 3PL & 4PL?
Ein 4PL ist – mindestens in der Theorie – nicht einfach ein 3PL Dienstleister mit besonders vielen Aufgaben innerhalb der Supply Chain. Er kümmert sich zwar auch um einzelne Aspekte innerhalb der Lieferkette, aber seine Rolle ist viel strategischer angelegt. Seine Aufgabe ist es, die verschiedenen Fäden zusammenzuführen, um die einzelnen Akteure innerhalb der Lieferkette optimal aufeinander abzustimmen. Dazu benötigt er alle relevanten Daten zu laufenden Lieferprozessen und das darum gewobene Netzwerk an 3PL Instanzen. Erst durch das „ganze Bild“ bzw. die Kontrollturm-Perspektive kann er einschätzen, welche Maßnahmen zur Verbesserung sinnvoll sein könnten.
Der 4PL überwacht laufende Transportmaßnahmen und sucht gleichzeitig nach Möglichkeiten zur Verbesserung. Hierfür nutzt er höchst spezialisierte IT-Systeme. Bei vielen 4PL Providern bildet die digitale Kompetenz einen echten USP. Schließlich gilt es, die unterschiedlichsten Datenquellen und Schnittstellen auf einer Plattform zusammenzuführen. Der 3PL ist wiederum erst einmal Spezialist für einen Teilbereich, etwa für eine effiziente Lagerhausverwaltung oder auch für die Organisation wirtschaftlicher und zuverlässiger Transporte.
Sowohl bei 3PL als auch bei 4PL Anbietern ist auch eine Kenntnis der Branche vorteilhaft, da Produktkategorien ganz unterschiedliche Anforderungen an die Gestaltung der Lieferkette stellen können.
3PL, 4PL und LLP: Welche Bedeutung hat der Lead Logistics Provider?
Ein Lead Logistics Provider bzw. LLP bezeichnet einen 3PL Akteur innerhalb der Lieferkette, welcher vom Kunden beauftragt wird, wesentliche oder sogar alle Teile der Supply Chain zu organisieren. Dadurch kommt er unserer Beschreibung eines 4PL ziemlich nahe, allerdings mit dem Unterschied, dass er im Gegensatz zum „reinen“ 4PL auch eigene Ressourcen (z.B. LKW oder Lagerhäuser) mit im Spiel haben kann. Allerdings werden die Begriffe LLP und 4PL gerne auch als Synonyme verwendet, weshalb man weniger auf die Label schauen sollte, sondern vielmehr darauf, was der Dienstleister konkret anbietet und „in den Ring wirft“.
Interessenkonflikte vermeiden
Wichtig: Bei 4PL bzw. LLP mit eigenen Ressourcen ist es wichtig, dass mögliche Interessenkonflikte vermieden werden. Während der 4PL ohne eigene Mittel einfach neutral agieren mag, kann beim LLP bzw. beim 4PL mit LKW, Lagerhäusern etc. die Frage aufkommen, ob er bei der Wahl der Ressourcen seine eigenen bevorzugt. Dies lässt sich aber vermeiden – etwa, dass der LLP nachweist, dass seine Auswahl wirtschaftlich und strategisch die beste Lösung ist. Auch das Einschalten unabhängiger Prüfer ist eine Möglichkeit. Nicht zuletzt können Verträge nach einem Gain-Share-Modell einen Anreiz für den Logistikdienstleister bilden, stets beharrlich nach der besten Lösung zu suchen. Bei letztgenannten Modellen profitieren Unternehmen und 4PL gleichermaßen, da sich Verbesserungen direkt bei der Vergütung des 4PL auszahlen.
Entscheidungshilfe: Wann sollte man 3PL oder 4PL Services nutzen?
Ob Sie 4PL oder lieber 3PL Dienstleister engagieren, hängt davon ab, wie umfänglich Sie Aufgaben rund um Ihre Logistik an einen externen Logistikdienstleister abgeben möchten. Dies kann aus der Not geboren sein, dass man feststellt, dass die Logistikprozesse immer komplexer und unübersichtlicher geworden sind, sodass es durch mangelnde Abstimmung oder fehlende Möglichkeiten zu wiederkehrenden Problemen kommt.
Das Engagement eines 3PL Dienstleisters reduziert Komplexität, etwa rund um die Themen Lagerhaltung, Bestandsverwaltung oder die Organisation von komplexen Lieferprozessen. Gleichzeitig wird das eigene Geschäft flexibler und einfacher skalierbar. Ein 3PL kann in der Regel wesentlich einfacher seine angebotenen Ressourcen von Lagerfläche bis Transportkapazität an neue Anforderungen anpassen. Das beauftragende Unternehmen behält mehr Liquidität, anstatt große Anschaffungskosten tätigen zu müssen.
Wer erst einmal gewisse Teilbereiche auslagern, aber trotzdem Kontrolle und eine Koordinationsfunktion bewahren möchte, fährt gut mit dem Engagement leistungsfähiger 3PL Anbieter für die jeweiligen Logistikbereiche.
Beim 4PL geht der Blick noch weiter voraus. Er übernimmt nicht nur einzelne oder weite Teile der Supply Chain, sondern tatsächlich alle Bereiche. Der 4PL verleiht den Aktivitäten der einzelnen, hochspezialisierten 3PL einen roten Faden. Gleichzeitig wird der 4PL zum singulären Ansprechpartner, anstatt dass man als Unternehmen die unterschiedlichen 3PL managen muss inklusive der damit verbundenen Kommunikation. 4PL eignen sich für größere Unternehmen, welche zum einen eine hohe Komplexität in ihren Lieferketten haben, andererseits auf ein erhöhtes Maß an Flexibilität und Kontrolle angewiesen sind. Je größer die Menge an verfügbaren Daten, desto schwieriger, sie ohne geeignete Anwendungen zu analysieren und auszuwerten. Deshalb bieten 4PL Dienstleister insbesondere eine hohe Kompetenz im Bereich der Digitalisierung von Logistikprozessen.
Zweifelsohne bedeutet es einen großen Schritt, ein 4PL Unternehmen zu engagieren – dies ist nur innerhalb einer langfristigen Partnerschaft sinnvoll. Die gesamte Logistik abzugeben in der Erwartung, dass der Dienstleister sie effizienter und kostengünstiger abwickelt, erfordert großes Vertrauen in die Kompetenz und Verlässlichkeit des Anbieters.
Gleichzeitig gilt es, die Frage zu lösen, wie man bestehende Logistikabteilungen in den Veränderungsprozess mit einbezieht und Unruhe vermeidet – etwa durch die Angst vor Stellenstreichungen (tatsächlich ist es trotz 4PL Dienstleister sinnvoll, auch eine Inhouse-Kompetenz als Ansprechpartner zu behalten, um mit dem 4PL zusammenzuarbeiten!).